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Der Mensch ist gut   By: (1882-1961)

Book cover

First Page:

Leonhard Frank

Der Mensch ist gut

Sechstes bis fünfzehntes Tausend

Max Rascher, Verlag, Zürich, 1918

Copyright 1918 by Max Rascher, Verlag, Zürich

Den kommenden Generationen

Geschrieben 1916 bis Frühling 1917

Inhalt

Der Vater Die Kriegswitwe Die Mutter Das Liebespaar Die Kriegskrüppel

I

Der Vater

Ihr Otterngezüchte, wer hat denn euch gewiesen, daß ihr dem künftigen Zorn entrinnen werdet?

Es ist schon die Axt an die Wurzel gelegt. Darum, welcher Baum nicht gute Frucht bringt, wird abgehauen und ins Feuer geworfen.

Ev. Matth. Kap. III

Robert war Servierkellner in einem deutschen Hotelrestaurant. Gewöhnlich. Blond. Und wenn er, in devoter Verbeugung erstarrt, vor dem Gaste stand und eine Bestellung entgegennahm, kroch der Gedanke durch sein Gehirn: jeder andere Beruf verträgt sich eher mit der Menschenwürde.

Auf ihn wirkte das hingeschobene Trinkgeld wie eine Ohrfeige, für die man sich bedanken mußte. Und wenn das Trinkgeld von einem Gaste kam, der ärmer als der Empfangende war, stieg in Roberts verletzter Menschenwürde sichtbar die Verachtung empor, steigerte sich manchmal zu Rachsucht und Frechheit. Es kam vor, daß Robert solch einem Gaste das Trinkgeld zurückschob. Vornehmen Gästen Kredit zu gewähren, war ihm eine Erlösung.

Im Jahre 1894 bekam seine Frau den lange vergeblich erwarteten Sohn. Und Roberts Liebe stürzte sich auf dieses Kind. Das bekam alles: ein Kinderzimmer, sterilisierte Kindermilch, einen federnden Kinderwagen, einen weißlackierten Stall. Hampelmänner. Später Dampfmaschinchen, Eisenbahnen, Luftballons, Trommeln, Säbel, Schießgewehrchen. Bleisoldaten. Später ein Spazierstöckchen, einen Matrosenanzug mit einer Mütze, auf der stand »S. M. S. Hohenzollern«, einen rindsledernen Bücherranzen, eine Rechenmaschine mit roten und weißen Kugeln, einen polierten Griffelkasten.

Der Sohn bekam Geigenstunden, mußte Klavierspielen lernen. Und durfte das Gymnasium besuchen. Er sollte studieren. Nicht Kellner werden. Schon mit zehn Jahren besaß der Sohn ein Fahrrad. Und gehörte mit zwölf Jahren der patriotischen Jugendvereinigung an.

Roberts Dasein erschöpfte sich im Dasein des Sohnes. Und der Satz: jeder Arbeiter ist seines Lohnes wert, war ihm zur Weltanschauung geworden. Robert flog, die Bestellungen auszuführen, verbeugte sich, dankte fürs Trinkgeld, verbeugte sich, dankte, sparte, scharrte zusammen, rechnete, strebte, wurde Zimmerkellner, dann Oberkellner, wies heimlichen Liebespärchen stille Zimmer an für ein paar Stunden, drückte Augen zu, sank in einen Abgrund der Liebe für seinen Sohn, schickte ihn auf die Universität, bekam graue Haare, war selig im Dienen, selig in seinem Sohne, besaß hundert Photographien von ihm, hatte die Kinderkleidchen aufgehoben, das Spielzeug: die Säbelchen, die Gewehrchen, die Bleisoldaten. Das Mützchen, auf dem stand »S. M. S. Hohenzollern«.

Der Sohn war zwanzig Jahre alt. Er bekam die Einberufung an einem Dienstag, bekam ein halbes Jahr später das Eiserne Kreuz.

Und im Sommer 1916 bekam Robert die Nachricht, daß sein Sohn gefallen war. Auf dem Felde der Ehre.

Eine Welt war erschlagen.

Der Erschlagene las immer wieder: »Gefallen auf dem Felde der Ehre.« Den Zettel trug er bei sich in der Brieftasche, zwischen den Banknoten. Er las ihn, wenn ein Fremder kam und ein Zimmer verlangte, wenn er an der Billardecke stand und Bestellungen erwartete, wenn er, von der Glocke gerufen, durch den langen Gang lief, las ihn, bevor er das Zimmer betrat, und nachdem er, die bezahlte Rechnung und das Trinkgeld in der Hand, das Zimmer wieder verlassen hatte. Er las ihn in der Küche, im Weinkeller, auf dem Klosett. »Gefallen auf dem Felde der Ehre.« Ehre. Das war ein Wort und bestand aus vier Buchstaben. Vier Buchstaben, die zusammen eine Lüge bildeten von solch höllischer Macht, daß ein ganzes Volk an diese vier Buchstaben angespannt und von sich selbst in ungeheuerlichstes Leid hineingezogen hatte werden können... Continue reading book >>




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