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Die Einsamen By: Paul Heyse (1830-1914) |
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Paul Heyse (1857)
Mehrere Tage lang hatten heftige Südstürme das Meer erschüttert, auf
dem hohen Felsenufer Sorrents mit Frühlingsungestüm den Saft in den
Feigenbäumen aufgerüttelt und den Boden mit fruchtbaren Regenschauern
gepflügt. Manche wollten ein gärendes Murren im Innern des Vesuv
vernommen haben und weissagten einen nahen Ausbruch. Auch schienen
öfters die Häuser bis in die Grundfesten zu wanken, und nachts hörte
man ein drohendes Klirren der Geräte, die im Schrank nahe beieinander
standen. Als aber am letzten April die Sonne endlich über den Aufruhr
Herr wurde, standen die kleinen Städte auf der Ebene von Sorrent
unversehrt zwischen ihren Wein und Orangengärten, der Felsengrund
hatte sich nicht aufgetan, sie zu verschlingen, und dem tosenden Meer
war das Ufer dennoch zu hoch gewesen, um hinaufbrandend alles, was
Menschen seit Jahrhunderten gepflanzt, in die Tiefe zu reißen. Am Nachmittage dieses letzten April, der zugleich ein Sonntag war,
verließ ein deutscher Poet sein Name tut nichts zur Sache das Haus,
in dem er sehr wider seine Neigung durch den Sturm war gefangen
gehalten worden. Tagelang hatte er vom Fenster aus über das Meer
gestarrt, den Mantel um die Knie geschlagen, denn der Steinboden
seines Zimmers hauchte eine empfindliche Kälte aus, den Hut auf dem
Kopf, ein Glas Wein nach dem anderen hinabschlürfend, ohne ein
Wärmegefühl in sich erwecken zu können. Der kleine Büchervorrat, der
ihn auf der Reise begleitete, war in Neapel zurückgeblieben, und im
Hause seines Wirts war außer dem Kalender und einem Meßbuch kein
gedrucktes Blatt aufzutreiben. Wie oft hatte er sich vermessen, daß
ihn in der Einsamkeit Langeweile nie anwandeln solle. Aber so viel
und sehnsüchtig er die Muse zur Gesellschaft heranflehte, der Wind
verschlang seinen Ruf, und die Kälte ließ endlich keinen anderen
Gedanken in ihm aufkommen als den Wunsch, die Sonne wiederzusehen. Sie war denn auch durchgebrochen, und er hatte die Hälfte dieses
gesegneten Tages redlich damit verbracht, auf dem Altan sitzend sie
sich auf die Haut scheinen zu lassen. Und als er vollends nach Tische
den Bergweg hinaufstieg, wurden alle erstarrten Gefühle in ihm mit
Macht wieder lebendig. So groß, so golden und gewaltig hatte er die
siegreiche Frühlingssonne nie gesehen, so erfrischend war ihm der
Hauch des Meeres nie ins Mark gedrungen. Diese Blätter da an den
Feigenbäumen waren in einer Nacht fingerlang hervorgeschossen. Die
Büsche dort hat die Sonne eines halben Tages in weiße Blüten gebracht.
Und wo nur der Wanderer, vom Duft gelockt, den Boden näher untersucht,
dunkeln ihm unabsehliche Veilchenbeete entgegen. Die Luft wimmelt
von Schmetterlingen, die nicht älter sind als dieser Tag; alle Pfade
ringsum sind von Menschen zu Fuß oder in sausenden kleinen Wagen
belebt. Dazu die Glockenstimmen der Kirchen und Kapellen auf vier
Stunden Wegs, das Jauchzen der Burschen, die bergan zogen, um ein
Kirchenfest in Sant' Agata, einem Dorfe auf dem Grat des Berges,
mitzufeiern, und die langgezogenen Ritornelle der Weiber, die Hand in
Hand zur Vesper wandelten, oder auf den sonnigen Dächern stehend ins
Meer hinausblickten. Je weiter der Deutsche, einer mäßig ansteigenden Straße folgend, sich
dem Feiertagsjubel entzog, desto mehr beklemmte es ihm das Herz, daß
er dem Dank für die Fülle der Wunder, die auf ihn eindrang, mit nichts
Luft zu machen vermochte. Am liebsten hätte er dort auf dem Felsen
stehend in die weite Landschaft hinausgesungen, ein Lied ohne Worte,
einen bloßen Widerhall aller Frühlingsstimmen um ihn her. Aber er
hatte einigen Grund, seiner Stimme zu mißtrauen, daß sie eine würdige
Heroldin seines Gefühls sein würde. Wie neidisch dachte er an jenen
Tenor zurück, der in Rom ihn manchen Abend entzückt hatte! Mit dieser
Stimme hier die Weite auszufüllen! Wie armselig, stumm wie ein Dieb,
klanglos wie der Stock in seiner Hand kam er sich vor, als er durch
alle singende und klingende Wonne der Natur hindurchschritt... Continue reading book >>
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