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Die Witwe von Pisa By: Paul Heyse (1830-1914) |
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Paul Heyse (1865)
Überhaupt scheint mir, daß Sie von den italienischen Frauen eine zu
günstige Meinung haben. Wieso? fragte ich. Ich habe einige Ihrer Novellen gelesen. Nun, daß diese Arrabbiatas
und Anninas doch auch im Süden etwas dünner gesäet sind, als der
geneigte Leser sich einbildet, werden Sie selber zugeben. Beiläufig,
und ganz unter uns: sind es Geschöpfe Ihrer Phantasie, oder Studien
nach dem Leben? Frei nach dem lieben Herrgott, der schwerlich finden wird, daß seine
Originale durch meine Bearbeitung gewonnen haben. Mag sein! Aber Sie leugnen doch nicht, daß Sie sich absichtlich immer
die besten Exemplare ausgesucht haben? Da dürfen Sie sich denn nicht
beklagen, wenn man Sie zu den Idealisten rechnet. Beklagen? Wie sollte ich wohl! Ich finde mich da in so guter
Gesellschaft, daß ich froh bin, wenn ich darin geduldet werde.
Ebenfalls im tiefsten Vertrauen, Verehrtester: Ich habe nie eine Figur
zeichnen können, die nicht irgend etwas Liebenswürdiges gehabt hätte,
vollends nie einen weiblichen Charakter, in den ich nicht bis zu einem
gewissen Grade verliebt gewesen wäre. Was mir schon im Leben
gleichgültig war, oder gar widerwärtig, warum sollte ich mich in der
Poesie damit befassen? Es gibt genug andere, die es vorziehn, das
Häßliche zu malen. Sehe jeder, wie er's treibe! Schön! Und vielleicht sogar richtig! Ich verstehe diese Dinge nicht.
Aber ich habe immer sagen hören, die Poesie solle das Leben
widerspiegeln. Nun denn, das Leben hat doch auch seine Kehrseite.
Und zur Wahrheit gehört Licht und Schatten. Glauben Sie nicht, daß
Sie es der Wahrheit schuldig sind, auch von den minder liebenswürdigen
Figuren, die zum Beispiel in Italien herumlaufen, Notiz zu nehmen? Sobald ich ein Buch über den italienischen Volkscharakter
ankündige gewiß! Aber ich gebe Geschichten. Wenn ich lieber
Gcschichten schreibe, die mir selbst gefallen, als Schattenrisse von
der Kehrseite der Natur, wen betrüge ich, als solche, die ihr
Interesse dabei finden, sich betrügen zu lassen? Aber Sie haben mich
auf die vielberufene Kehrseite neugierig gemacht. Was verstehen Sie
darunter? Hin! Das ist leicht gesagt. Wenn ich nicht sehr irre, ist es die
unverfälschte Naturkraft, die Sie an diesen Weibern anzieht, der
Mangel der zahmen und lahmen Pensionats und Institutserziehung, das
Wildwüchsige mit einem Wort. Und die edle Rasse, nicht zu vergessen; eben jene reiche Anlage, die
man viel getroster sich selbst überlassen darf als eine von Hause aus
dürftigere Natur schaltete ich ein. Einverstanden! Und ich gebe Ihnen auch das noch zu, daß die
Leidenschaften unter diesem Himmel sich in einem gewissen großen Stil,
in einer natürlichen Erhabenheit austoben, selbst die
allerverrücktesten; daß sogar die Hauptleidenschaft des
Geschlechts diesseits wie Jenseits der Berge bei aller Komik hier
etwas Grandioses behält. Eine, Hauptleidenschaft? Ich meine die Sucht, einen Mann zu bekommen. Sie lachen? Ich kann
Ihnen sagen, daß mir die Sache außer Spaß ist, seit ich Gelegenheit
gehabt habe, über diesen Punkt nähere Studien zu machen. Auf die ich begierig wäre. Ich will Ihnen das Abenteuer nicht vorenthalten, obwohl es für einen
Idealisten, wie Sie sind, kein dankbarer Stoff sein wird. Nur soll
mir unser Kondukteur erst etwas Feuer geben. Un po' di fuoco, s'il
vous plaît, Monsieur? Dieses Gespräch wurde in einer schönen
Sommernacht hoch oben in der Imperiale einer französischen Diligence
geführt, die von zwei Pferden und vierzehn Maultieren in kurzem Trabe
die breite Straße des Mont Cenis hinaufgeschleppt wurde. Obwohl der
Himmel herrlich ausgestirnt war, lag doch nur ein schwacher Schein auf
den Tälern zur Seite des Weges, aus denen die schweren Wipfel der
Kastanien heraufragten, so daß man auf den Genuß der Aussicht
verzichten mußte. Und da Peitschenknall, Zuruf der Maultiertreiber,
die neben ihren langgespannten Tieren bergan liefen, und das
hundertfache Schellengeläute auch einen gesunden Schlaf nicht
aufkommen ließen, mußte ein deutscher Schriftsteller noch zufrieden
sein, wenn er dreitausend Fuß über dem Meeresspiegel einen so
wohlwollenden Rezensenten neben sich fand, wie mein Coupénachbar bei
aller Meinungsverschiedenheit zu sein schien... Continue reading book >>
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