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Ein Ring By: Paul Heyse (1830-1914) |
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Paul Heyse Novelle (1904)
Wie bist du zu dem seltsamen Ringe gekommen, liebe Tante? Einen so
massiven, mit großen schwarzen Buchstaben habe ich nie gesehen. Ist's
ein Trauerring? Und was steht in der Inschrift? Die kleine alte Frau, an die ich diese Fragen richtete, war eine
ältere Schwester meiner Mutter, nur Tante Klärchen von uns genannt.
Vor siebzehn Jahren hatte sie ihren Mann verloren, den Bankier Herz,
dessen große, schwerfällige Figur mit dem feinen jüdischen Kopfe mir
noch aus meiner frühesten Kinderzeit vor Augen steht, da meine Eltern,
als ich zwei Jahre alt war, die Frankfurter Verwandten besucht hatten.
Nun war diese Lieblingsschwester meiner Mutter nach einem glänzenden
Leben an der Seite des wohlhabenden Gatten, dem sie schöne Töchter
geboren, in eine unscheinbare Dunkelheit versunken, hatte aber ihre
Wohnung an der "Schönen Aussicht" behalten und sie nur selten
verlassen, teils weil ihre äußere Lage ihr den früheren Aufwand nicht
mehr gestattete und zunehmende Kränklichkeit sie oft ans Bett fesselte,
teils weil sie in diesem Hause die freundliche Pflege und
Gesellschaft ihres ältesten Bruders genoß, meines Onkels Louis Saaling
und seiner Frau, von denen ich in meinen "Jugenderinnerungen" ein
mehreres erzählt habe. Als ich nun in meinem neunzehnten Jahre als fahrender Schüler von Bonn
aus den Rhein hinauf wallfahrtete und einige Tage von meinem Onkel
beherbergt wurde, ehe ich in die Schweiz weiterzog, faßte ich eine
lebhafte Neigung zu dieser Tante Klärchen, die auch mich, schon um
meiner Mutter willen, mit einer rührenden Zärtlichkeit ins Herz schloß. Sie lag damals schon fest auf dem Krankenbette, das sie nicht mehr
verlassen sollte. Aber wer von ihren Schmerzen nichts wußte und das
feine, edelgebildete Gesichtchen unter dem kostbaren Spitzentuch
betrachtete, noch von schwarzen, glänzenden Locken trotz ihrer sechzig
Jahre eingefaßt, die Augen von einer seltsamen Onyxfarbe in dem
bläulichen Weiß unter den breiten Lidern, dazu das Grübchen in der
glatten linken Wange, das bei jedem Lächeln sich vertiefte konnte
sich nicht vorstellen, daß die Tage dieser lieblichen alten Frau
gezählt sein sollten. Klärchen hat immer einen "Chain" gehabt, pflegte meine Mutter zu
sagen der jüdische Ausdruck für das, was wir mit den Franzosen Charme
nennen. Diesem Zauber weiblicher Anmut, der aus dem ganzen Naturell
der Tante hervorging und bis ins hohe Alter ihr treu blieb, konnte
auch ich nicht widerstehen. Ich saß stundenlang an ihrem Bette und
ließ mir von ihren Erlebnissen aus der Zeit, da sie mit meiner Mutter
jung und lustig gewesen war, erzählen. Sie war nie witzig gewesen,
wie "Julchen", aber ein dankbares Publikum für den Humor der Schwester,
und hatte eine Menge der drolligen Einfälle meiner Mutter im
Gedächtnis behalten. Dagegen mußte ich ihr von meinem Studentenleben
berichten, meine kleinen romantischen Abenteuer und
Herzensangelegenheiten beichten, und da es kein Geheimnis war, daß ich
Verse machte, ihr auch ein und das andere dieser jugendlichen
Exerzitien vorlesen. Sie sagte mir nichts darüber, hörte aber mit
zugedrückten Augen und einer träumerischen Miene zu, und als ich
aufhörte, zog sie meinen Kopf an ihr Gesicht heran, küßte mich auf die
Augen und sagte ganz leise: Ich danke dir, lieb Kind. Du bist ein
gebenschter (gesegneter) Mensch. Gewöhnlich ruhten ihre beiden kleinen Hände regungslos auf der
grünseidenen Decke, die mit kostbaren Spitzen eingefaßt war. Die
ungemein zarte Haut war bleich wie alter, weißer Atlas, der etwas
vergilbt ist und seinen Glanz verloren hat, wie auch über ihrem
Gesicht kein Schimmer von Röte lag. An beiden Händen aber blitzten
die kostbarsten Ringe, zwischen deren Juwelen der dicke Trauerring
sich wie ein schlichter Fremdling ausnahm, der sich in eine vornehme
Gesellschaft verirrt hatte. Als ich sie nach ihm fragte, hob die Tante sacht die linke Hand, die
ihn trug, und hielt sie nahe vor die Augen, deren Sehkraft schon ein
wenig geschwächt war... Continue reading book >>
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