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Geschwister Tanner By: Robert Walser (1878-1956) |
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Geschwister Tanner Roman
von
Robert Walser Zweite Auflage Verlag von Bruno Cassirer
Berlin
Erstes Kapitel.
Eines Morgens trat ein junger, knabenhafter Mann bei einem Buchhändler
ein und bat, daß man ihn dem Prinzipal vorstellen möge. Man tat, was er
wünschte. Der Buchhändler, ein alter Mann von sehr ehrwürdigem Aussehen,
sah den etwas schüchtern vor ihm Stehenden scharf an und forderte ihn
auf, zu sprechen. »Ich will Buchhändler werden,« sagte der jugendliche
Anfänger, »ich habe Sehnsucht darnach und ich weiß nicht, was mich davon
abhalten könnte, mein Vorhaben ins Werk zu setzen. Unter dem Buchhandel
stellte ich mir von jeher etwas Entzückendes vor und ich verstehe nicht,
warum ich immer noch außerhalb dieses Lieblichen und Schönen schmachten
muß. Sehen Sie, mein Herr, ich komme mir, so wie ich jetzt vor Ihnen
dastehe, außerordentlich dazu geeignet vor, Bücher aus Ihrem Laden zu
verkaufen, so viele, als Sie nur wünschen können zu verkaufen. Ich bin
der geborene Verkäufer: galant, hurtig, höflich, schnell,
kurzangebunden, raschentschlossen, rechnerisch, aufmerksam, ehrlich und
doch nicht so dumm ehrlich, wie ich vielleicht aussehe. Ich kann Preise
herabsetzen, wenn ich einen armen Teufel von Studenten vor mir habe, und
kann Preise hochschrauben, um den reichen Leuten ein Wohlgefallen zu
erweisen, von denen ich annehmen muß, daß sie manches Mal nicht wissen,
was sie mit dem Geld anfangen sollen. Ich glaube, so jung ich noch bin,
einige Menschenkenntnis zu besitzen, außerdem liebe ich die Menschen, so
verschiedenartig sie auch sein mögen; ich werde also meine Kenntnis der
Menschen nie in den Dienst der Übervorteilung stellen, aber auch
ebensowenig daran denken, durch allzu übertriebene Rücksichtnahme auf
gewisse arme Teufel Ihr wertes Geschäft zu schädigen. Mit einem Wort:
meine Liebe zu den Menschen wird angenehm balancieren auf der Wage des
Verkaufens mit der Geschäftsvernunft, die ebenso gewichtig ist und mir
ebenso notwendig erscheint für das Leben wie eine Seele voll Liebe: Ich
werde schönes Maß halten, dessen seien Sie zum voraus versichert.«
Der Buchhändler sah den jungen Mann aufmerksam und verwundert an. Er
schien im Zweifel darüber zu sein, ob sein Vis à vis , das so hübsch
sprach, einen guten Eindruck auf ihn mache, oder nicht. Er wußte es
nicht genau zu beurteilen, es verwirrte ihn einigermaßen und aus dieser
Befangenheit heraus frug er sanft: »Kann ich mich denn, mein junger
Mann, geeigneten Ortes über Sie erkundigen?« Der Angeredete erwiderte:
»Geeigneten Ortes? Ich weiß nicht, was Sie einen geeigneten Ort nennen!
Mir würde es passend erscheinen, wenn Sie sich gar nicht erkundigen
wollten. Bei wem sollte das sein, und was für einen Zweck könnte das
haben? Man würde Ihnen allerlei über mich hersagen, aber genügte denn
das auch, Sie meinetwegen zu beruhigen? Was wüßten Sie von mir, wenn man
Ihnen zum Beispiel auch sagte, ich sei aus einer sehr guten Familie
entsprossen, mein Vater sei ein achtbarer Mann, meine Brüder tüchtige,
hoffnungsvolle Menschen und ich selber sei ganz brauchbar, ein bißchen
flatterhaft, aber zu Hoffnungen nicht unberechtigt, ein bißchen dürfe
man mir schon vertrauen, und so weiter? Sie wüßten doch nichts von mir
und hätten absolut nicht die kleinste Ursache, mich nun mit mehr Ruhe in
Ihr Geschäft als Verkäufer anzunehmen. Nein, Herr, Erkundigungen taugen
in der Regel keinen Pfifferling, ich rate Ihnen, wenn ich mir Ihnen, dem
alten Herrn gegenüber einen Ratschlag herausnehmen darf, entschieden
davon ab, weil ich weiß, daß, wenn ich geeignet und beschaffen wäre, Sie
zu hintergehen und die Hoffnungen, die Sie, gestützt auf Informationen,
auf mich setzen, zu täuschen, ich dies in um so größerem Maße täte, je
besser besagte Erkundigungen lauten würden, die dann nur gelogen hätten,
weil sie Gutes von mir sagten... Continue reading book >>
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