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Gladius Dei; Schwere Stunde By: Thomas Mann (1875-1955) |
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GLADIUS DEI und SCHWERE STUNDE Die Texte folgen den Ausgaben: 'Gladius Dei' aus »Tristan. Sechs Novellen.« Berlin, S. Fischer Verlag
1903 'Schwere Stunde' aus »Das Wunderkind. Novellen.« Berlin, S. Fischer
Verlag [1914] (= Fischers Bibliothek zeitgenössischer Romane, Jg. 6,
Bd. 6) GLADIUS DEI
1 München leuchtete. Über den festlichen Plätzen und weißen
Säulentempeln, den antikisierenden Monumenten und Barockkirchen, den
springenden Brunnen, Palästen und Gartenanlagen der Residenz spannte
sich strahlend ein Himmel von blauer Seide, und ihre breiten und
lichten, umgrünten und wohlberechneten Perspektiven lagen in dem
Sonnendunst eines ersten, schönen Junitages. Vogelgeschwätz und heimlicher Jubel über allen Gassen. ...Und auf
Plätzen und Zeilen rollt, wallt und summt das unüberstürzte und
amüsante Treiben der schönen und gemächlichen Stadt. Reisende aller
Nationen kutschieren in den kleinen, langsamen Droschken umher, indem
sie rechts und links in wahlloser Neugier an den Wänden der Häuser
hinaufschauen, und steigen die Freitreppen der Museen hinan... Viele Fenster stehen geöffnet, und aus vielen klingt Musik auf
die Straßen hinaus, Übungen auf dem Klavier, der Geige oder dem
Violoncell, redliche und wohlgemeinte dilettantische Bemühungen. Im
'Odeon' aber wird, wie man vernimmt, an mehreren Flügeln ernstlich
studiert. Junge Leute, die das Nothung Motiv pfeifen und abends die Hintergründe
des modernen Schauspielhauses füllen, wandern, literarische
Zeitschriften in den Seitentaschen ihrer Jacketts, in der Universität
und der Staatsbibliothek aus und ein. Vor der Akademie der bildenden
Künste, die ihre weißen Arme zwischen der Türkenstraße und dem
Siegestor ausbreitet, hält eine Hofkarosse. Und auf der Höhe der Rampe
stehen, sitzen und lagern in farbigen Gruppen die Modelle, pittoreske
Greise, Kinder und Frauen in der Tracht der Albaner Berge. Lässigkeit und hastloses Schlendern in all den langen Straßenzügen des
Nordens... Man ist von Erwerbsgier nicht gerade gehetzt und verzehrt
dortselbst, sondern lebt angenehmen Zwecken. Junge Künstler, runde
Hütchen auf den Hinterköpfen, mit lockeren Krawatten und ohne Stock,
unbesorgte Gesellen, die ihren Mietzins mit Farbenskizzen bezahlen,
gehen spazieren, um diesen hellblauen Vormittag auf ihre Stimmung
wirken zu lassen, und sehen den kleinen Mädchen nach, diesem hübschen,
untersetzten Typus mit den brünetten Haarbandeaux, den etwas zu
großen Füßen und den unbedenklichen Sitten. ...Jedes fünfte Haus
läßt Atelierfensterscheiben in der Sonne blinken. Manchmal tritt
ein Kunstbau aus der Reihe der bürgerlichen hervor, das Werk eines
phantasievollen jungen Architekten, breit und flachbogig, mit bizarrer
Ornamentik, voll Witz und Stil. Und plötzlich ist irgendwo die Tür
an einer allzu langweiligen Fassade von einer kecken Improvisation
umrahmt, von fließenden Linien und sonnigen Farben, Bacchanten, Nixen,
rosigen Nacktheiten... Es ist stets aufs neue ergötzlich, vor den Auslagen der
Kunstschreinereien und der Basare für moderne Luxusartikel zu
verweilen. Wieviel phantasievoller Komfort, wieviel linearer Humor in
der Gestalt aller Dinge! Überall sind die kleinen Skulptur , Rahmen
und Antiquitätenhandlungen verstreut, aus deren Schaufenstern dir
die Büsten der florentinischen Quattrocento Frauen voll einer edlen
Pikanterie entgegenschauen. Und der Besitzer des kleinsten und
billigsten dieser Läden spricht dir von Donatello und Mino da
Fiesole, als habe er das Vervielfältigungsrecht von ihnen persönlich
empfangen... Aber dort oben am Odeonsplatz, angesichts der gewaltigen Loggia, vor
der sich die geräumige Mosaikfläche ausbreitet, und schräg gegenüber
dem Palast des Regenten drängen sich die Leute um die breiten
Fenster und Schaukästen des großen Kunstmagazins, des weitläufigen
Schönheitsgeschäftes von M. Blüthenzweig. Welche freudige Pracht der
Auslage! Reproduktionen von Meisterwerken aus allen Galerien der Erde,
eingefaßt in kostbare, raffiniert getönte und ornamentierte Rahmen
in einem Geschmack von preziöser Einfachheit; Abbildungen moderner
Gemälde, sinnenfroher Phantasieen, in denen die Antike auf eine
humorvolle und realistische Weise wiedergeboren zu sein scheint; die
Plastik der Renaissance in vollendeten Abgüssen; nackte Bronzeleiber
und zerbrechliche Ziergläser; irdene Vasen von steilem Stil, die
aus Bädern von Metalldämpfen in einem schillernden Farbenmantel
hervorgegangen sind; Prachtbände, Triumphe der neuen
Ausstattungskunst, Werke modischer Lyriker, gehüllt in einen
dekorativen und vornehmen Prunk; dazwischen die Porträts von
Künstlern, Musikern, Philosophen, Schauspielern, Dichtern, der
Volksneugier nach Persönlichem ausgehängt... Continue reading book >>
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