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Marthe und ihre Uhr Novelle By: Theodor Storm (1817-1888) |
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Taschenausgaben 23
Im Sonnenschein Drei Sommergeschichten von Theodor Storm
Dreizehnte Auflage
Verlag von Gebrüder Paetel Berlin
Druck von G. Kreysing in Leipzig
Meiner Mutter zum W e i h n a c h t a b e n d 1854
MARTHE UND IHRE UHR.
Während der letzten Jahre meines Schulbesuchs wohnte ich in einem
kleinen Bürgerhause der Stadt, worin aber von Vater, Mutter und vielen
Geschwistern nur eine alternde, unverheiratete Tochter zurückgeblieben
war. Die Eltern und zwei Brüder waren gestorben, die Schwestern bis auf
die jüngste, die einen Arzt am selbigen Ort geheiratet hatte, ihren
Männern in entfernte Gegenden gefolgt. So blieb denn Marthe allein in
ihrem elterlichen Hause, worin sie sich durch das Vermieten des früheren
Familienzimmers und mit Hilfe einer kleinen Rente spärlich durchs Leben
brachte. Doch kümmerte es sie wenig, daß sie nur Sonntags ihren
Mittagstisch decken konnte; denn ihre Ansprüche an das äußere Leben
waren fast keine; eine Folge der strengen und sparsamen Erziehung, die
der Vater sowohl aus Grundsatz, als auch in Rücksicht seiner
beschränkten bürgerlichen Verhältnisse allen seinen Kindern gegeben
hatte. Wenn aber Marthen in ihrer Jugend nur die gewöhnliche
Schulbildung zuteil geworden war, so hatte das Nachdenken ihrer späteren
einsamen Stunden, vereinigt mit einem behenden Verstande und dem
sittlichen Ernst ihres Charakters, sie doch zu der Zeit, in der ich sie
kennen lernte, auf eine für Frauen, namentlich des Bürgerstandes,
ungewöhnlich hohe Bildungsstufe gehoben. Freilich sprach sie nicht immer
grammatisch richtig, obgleich sie viel und mit Aufmerksamkeit las, am
liebsten geschichtlichen oder poetischen Inhalts; aber sie wußte sich
dafür meistens über das Gelesene ein richtiges Urteil zu bilden und, was
so Wenigen gelingt, selbständig das Gute vom Schlechten zu
unterscheiden. Mörikes »Maler Nolten«, der damals erschien, machte
großen Eindruck auf sie, so daß sie ihn immer wieder las; erst das
Ganze, dann diese oder jene Partie, wie sie ihr eben zusagte. Die
Gestalten des Dichters wurden für sie selbstbestimmende lebende Wesen,
deren Handlungen nicht mehr an die Notwendigkeit des dichterischen
Organismus gebunden waren; und sie konnte stundenlang darüber
nachsinnen, auf welche Weise das hereinbrechende Verhängnis von so
vielen geliebten Menschen dennoch hätte abgewandt werden können. Die Langeweile drückte Marthen in ihrer Einsamkeit nicht, wohl aber
zuweilen ein Gefühl der Zwecklosigkeit ihres Lebens nach außen hin; sie
bedurfte jemandes, für den sie hätte arbeiten und sorgen können. Bei dem
Mangel näher Befreundeter kam dieser löbliche Trieb ihren jeweiligen
Mietern zugute, und auch ich habe manche Freundlichkeit und
Aufmerksamkeit von ihrer Hand erfahren. An Blumen hatte sie eine
große Freude, und es schien mir ein Zeichen ihres anspruchslosen und
resignierten Sinnes, daß sie unter ihnen die weißen und von diesen
wieder die einfachen am liebsten hatte. Es war immer ihr erster Festtag
im Jahre, wenn ihr die Kinder der Schwester aus deren Garten die ersten
Schneeglöckchen und Märzblumen brachten; dann wurde ein kleines
Porzellankörbchen aus dem Schranke herabgenommen; und die Blumen zierten
unter ihrer sorgsamen Pflege wochenlang die kleine Kammer. Da Marthe seit dem Tode ihrer Eltern wenig Menschen um sich sah und
namentlich die langen Winterabende fast immer allein zubrachte, so lieh
die regsame und gestaltende Phantasie, die ihr ganz besonders eigen war,
den Dingen um sie her eine Art von Leben und Bewußtsein... Continue reading book >>
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