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Olivia oder Die unsichtbare Lampe By: Jakob Wassermann (1873-1934) |
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Erzählung
von Jakob Wassermann
Im Hause des Professors Khuenbeck, eines angesehenen Wiener Arztes, war
große Gesellschaft. Man hatte reich getafelt, die Unterhaltung war im
besten Fluß, und wie auf viele andere Dinge kam die Rede auch auf die
Kinder. Eine Dame, die vor kurzem das Töchterchen des Hauses flüchtig
gesehen hatte, rühmte dessen besondere Schönheit und Lieblichkeit. Frau
Khuenbeck lächelte geschmeichelt, einige andere Damen gaben ihr
Verlangen kund, das Mädchen zu sehen, den Hinweis auf die späte Stunde
ließen sie nicht gelten, und sie wandten sich an den Professor, der,
unschlüssig und wie beschämt, nicht wußte, wie er die Bitte aufnehmen
sollte. Indessen hatte Frau Khuenbeck, die einer eitlen Regung nicht zu
widerstehen vermochte, einem der Dienstboten einen Wink gegeben und ging
dann selbst in das Zimmer, wo ihre beiden Kinder schliefen, der
zweijährige Ferdinand und die sechsjährige Olivia. Schon saß Olivia auf dem Schoß des Dienstmädchens, die Augen voll
Schlaf; es wurde ihr ein Atlaskleidchen angetan, die Haare wurden ihr
gekämmt, weiße Strümpfe und weiße Schuhe kamen an die Beinchen, und so
trug sie die Mutter in die strahlend erleuchteten Räume hinüber. Die
Gäste scharten sich um Mutter und Kind; ein Laut der Überraschung und
Befriedigung tönte ihnen entgegen. Olivia blickte voll Angst und Zagen
in die vielen fremden Gesichter, deren Neugierde und Erstaunen ihr
unbegreiflich waren. Abseits von allen stand ein junger Mann und schaute still auf die
Gruppe. Er dachte, daß der Professor dem Schauspiel ein Ende bereiten
werde; da dies aber nicht geschah, rief er plötzlich mit scharfer, ja
barscher Stimme aus: »Gnädige Frau, stecken Sie doch den armen Wurm
wieder ins Bett; den Rummel wird er ohnedies bald genug kennen lernen.« Alle lachten; Frau Khuenbeck errötete und trug das Kind schnell hinaus. Olivia hatte die Worte gehört und verstanden; sie bewahrte dem, der sie
gesprochen, heimlichen Dank. Der junge Mann verkehrte oft im Hause; bald
wußte sie seinen Namen; er hieß Robert Lamm und war damals noch ein
unbeachteter Beamter im Ministerium. Stets, wenn sie ihn sah, hatte sie dasselbe Dankgefühl; in Stunden
kindlicher Bedrängnis tauchte ihr sein Bild als das eines Helfers auf.
Er war die Verkörperung einer strengeren Schutzgottheit neben der
sanften des Vaters. Wenn der Professor an seinem Schreibtisch saß, geschah es oft, daß sich
Olivia ins Zimmer stahl, sich ganz leise auf den Teppich zu seinen Füßen
niederließ und in Büchern und in Heften blätterte, die auf dem Boden
aufgeschichtet lagen. Meist bemerkte sie der Professor erst, wenn er
die Feder weglegte und sich erhob; dann sagte er: »Du bist da, Kind?«
und lächelte. Olivia war glücklich, daß es ihr gelungen war, ihn nicht
zu stören. Manchmal machte er kleine Spaziergänge im Park, dann nahm er Olivia mit
und führte sie an der Hand. Verwundert betrachteten die Leute das schöne
Kind. Olivia glaubte jedoch immer, daß sie nach dem Vater sahen, der so
nachdenklich und voll Würde dahinschritt. Sie war stolz auf ihn. Einst hatte Olivia die Mutter belogen. Sie war mit dem Fräulein im
Prater gewesen und hatte gesagt, sie sei bei ihrer Tante, Frau von
Scheyern, gewesen. Ihr Bruder Ferdinand hatte sie in aller Unschuld
verraten. In der Entrüstung darüber forderte die Mutter, daß sie zur
Strafe in einer Ecke knien sollte. Olivia weigerte sich aber mit solcher
Leidenschaft, daß die Mutter immer mehr in Zorn geriet. Da kam der
Professor in die Stube; ihn sehen und an seinen Hals stürzen, war für
Olivia eins; sie wollte nicht knien, schluchzte sie und klammerte sich
so krampfhaft an den Vater, daß der erschrockene Mann alle Mühe hatte,
sie zu beruhigen... Continue reading book >>
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