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Engelhart Ratgeber By: Jakob Wassermann (1873-1934) |
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Roman
von
Jakob Wassermann
Erstes Kapitel
Engelharts erste Kindheitserinnerung knüpfte sich an eine Feuersbrunst.
Die Mutter saß am offenen Fenster, und der Knabe spielte zu ihren Füßen
in der Nähe eines Kochtopfes, in dessen Innern sich Überreste von
Pflaumenmus befanden. Da wurde Frau Ratgeber durch einen Aufschrei von
der Gasse veranlaßt, zum Fenster hinauszuschauen. Neugierig kletterte
Engelhart auf einen Stuhl, beugte sich über das Sims und sah, von der
Mutter beim Ärmel festgehalten, eine ragende Feuersäule, die fern aus
der Tiefe der Straße emporschoß. Nachdem er das Schauspiel mit
erstaunten Blicken betrachtet, kehrte er wieder zum Fußboden zurück und
benutzte die anderswo hingelenkte Aufmerksamkeit der Mutter, um aus dem
Pflaumentopf ein paar Fingerspitzen voll zu naschen. Am folgenden Tag um die Dämmerungszeit nahm er ein kleines Spielhäuschen,
begab sich damit und mit Zündhölzern versehen in den abgelegensten
Winkel des Hofes, scharrte einen Sandhügel zusammen, trug Späne herbei
und machte im Innern seines Gebäudes Feuer an. Die Flammen schlugen jäh
aus dem kleinen Tor heraus, die durch rote Farbenflecke angedeuteten
Fensterchen begannen zu zerfließen, der ganze Hof lag in lichterlohem
Schein. Bald kamen Leute gelaufen, die den Miniaturbrand löschten und
den Knaben verprügelten. Im Erdgeschoß des Hauses befand sich eine Gastwirtschaft. Jede Nacht
drang der Zecher Lärm herauf, nicht selten kam es zu einer Schlägerei,
und ein Gestochener brüllte die schlafenden Bewohner wach. Schlimmer war
für Engelhart das allwöchentliche Schweineschlachten. Das Todesgeschrei
schnitt ihm furchtbar durch die Brust, seine Phantasie war damit
belastet, sein Denken wurde verdunkelt, und wenn das Tier unter dem
letzten Messerstich ersterbend wimmerte, schlich Engelhart totenbleich
in die Kleiderkammer, riß eine Schranktür auf und steckte den Kopf
zwischen die hängenden Gewänder. Es war ein Glück, daß seine Eltern,
kurz nachdem er fünf Jahre alt geworden war, in die nahegelegene
Theatergasse verzogen. In jenem Sommer heiratete die jüngste von Frau Ratgebers Schwestern. Da
die Hochzeit in Karlstadt stattfand, einem uralten Örtchen am Main,
reisten Herr und Frau Ratgeber dorthin und nahmen Engelhart mit, während
die beiden kleineren Geschwister, die dreijährige Gerda und der kaum ein
Jahr alte Abel, unter der Obhut einer treuen Magd zu Hause blieben. Es
war ein düster bewölkter Tag. Der Knabe blickte mit dankbarem Gefühl auf
den Vater, der, kaum daß die Fahrt begonnen hatte, ein gebratenes Huhn
aus der Reisetasche nahm und mit dem ihm eignen seltsam verlegenen
Schmunzeln verzehrte. Frau Agathe saß versonnen da, bisweilen warf sie
einen flüchtigen Blick auf die Landschaft hinaus. Das Hotel, in dem sie zu später Nacht ankamen, war ein früheres Kloster
und hatte weitgewölbte Räume. Engelhart wurde in ein entlegenes Gemach
geführt, wo vier Betten standen. Im blassen Kerzenlicht sah er mit
verschlafenen Augen drei Mädchengestalten, und man erklärte ihm, daß es
seine Cousinen aus Gunzenhausen seien. Die Mädchen flüsterten und
lachten, endlich trat die jüngste, die schon im Hemde war, vor ihn hin
und sagte, es schicke sich nicht, daß Knaben bei den Mädchen schliefen.
Er kroch in einen Mauerwinkel, um sich in Eile zu entkleiden, dann
setzte sich Frau Ratgeber zu ihm an den Bettrand, es wurde noch eine
Weile hin und her gesprochen, Engelhart sah einen haarumwallten
Mädchenkopf, der sich über die Schulter seiner Mutter beugte, und, schon
auf der Schwelle des Schlummers taumelnd, starrte er noch einmal in das
übermütige Gesicht seiner jüngsten Vetterin. Am andern Tag war die Hochzeit. Während der Trauung hörte man die Braut
weinen, es schien, als ahne sie ihr trauriges Schicksal voraus, während
der Bräutigam, Herr Peter Salomon Curius, selbstbewußt und höhnisch
lächelnd um sich blickte... Continue reading book >>
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