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Geschichte des Zigeunermädchens Eine Novelle By: Miguel de Cervantes Saavedra (1547-1616) |
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Anmerkungen zur Transkription Passagen, die im Originaltext gesperrt gedruckt waren, sind hier durch Unterstriche gekennzeichnet, Fettdruck durch Rauten, Antiqua durch Kreuze. Weitere Anmerkungen befinden sich am Ende des Textes. GESCHICHTE DES ZIGEUNERMÄDCHENS Eine Novelle von MIGUEL DE CERVANTES [Illustration: Verlags Signet] Im Insel Verlag zu Leipzig Es scheint, daß die Zigeuner und Zigeunerinnen nur auf die Welt kommen, um Spitzbuben zu werden. Sie stammen von Eltern, die Spitzbuben sind, werden mit Spitzbuben erzogen, studieren das Spitzbubenhandwerk und werden endlich Spitzbuben, die auf alle Fälle gemacht und bedacht sind; die Lust am Stehlen und das Stehlen selbst sind gleichsam unabtrennbare Teile ihres Wesens, das sie erst mit dem Tode verlieren. Eine nun von diesem Volk, eine alte Zigeunerin, die in der Kunst des Cacus[1] bereits ihr Jubiläum gefeiert haben mochte, erzog als ihre Enkelin ein junges Mädchen, dem sie den Namen Preziosa gab und das sie in all ihren Zigeunerstreichen, Gaunereien und Diebeskünsten unterrichtete. Preziosa wurde die vortrefflichste Tänzerin im ganzen Zigeunervolk und das schönste und verständigste Kind, das man nicht nur unter Zigeunern, sondern unter allen Schönen und Klugen finden konnte, deren Ruhm je erschollen ist. Weder Sonne noch Luft noch auch alle Unbilden der Witterung, denen die Zigeuner mehr ausgesetzt sind als andre Leute, vermochten ihrer Schönheit Abbruch zu tun oder ihre Hände zu bräunen. Ja, was noch mehr ist, die rauhe Erziehung, die sie erhielt, konnte nicht verdecken, daß sie von gesitteteren Eltern abstammte, als es Zigeuner sind; denn sie war äußerst gewandt und sehr verständig. Bei all dem war sie frei, ohne die Grenzen der Sittsamkeit zu überschreiten; sie war vielmehr bei allem Witze so züchtig, daß in ihrer Gegenwart keine Zigeunerin, mochte sie alt oder jung sein, ein unanständiges Lied zu singen oder üble Worte zu sprechen wagte. Kurz die Großmutter erkannte, welchen Schatz sie in der Enkelin besaß, und so beschloß denn die alte Dohle, ihr junges Dohlchen ausfliegen zu lassen und es zu lehren, sich den Unterhalt mit den eignen Fängen zu gewinnen. Preziosa zog aus, reich versehen mit Festgesängen, Volksliedern, Seguidillas, Sarabanden und andern Versen, besonders Romanzen, die sie mit eigentümlicher Anmut vortrug; denn die schlaue Alte erkannte, daß bei der Jugend und Schönheit ihrer Enkelin dergleichen Schwänke und Spiele ein sehr glückliches Reiz und Lockmittel abgeben müßten, das ihr Vermögen vermehren würde. So hatte sie denn auf allen möglichen Wegen nach solchen Dingen gesucht, und es fehlte nicht an Dichtern, die sie damit versahen; denn es gibt ebensogut Poeten, die sich mit den Zigeunern verstehen und Werke an sie verkaufen, wie es andre für die Blinden gibt, denen sie Wundergeschichten erfinden, um den Gewinn mit ihnen zu teilen. In der Welt kommt alles vor, und der Hunger treibt manche Köpfe, Dinge zu tun, die ihnen nicht an der Wiege gesungen worden sind. [1] Cacus: von Herkules erschlagener Riese und Räuber. Preziosa war in verschiedenen Gegenden Kastiliens aufgewachsen; in ihrem fünfzehnten Jahre aber führte ihre angebliche Großmutter sie in die Residenz, und zwar auf ihren alten Lagerplatz, die Felder der heiligen Barbara, wo sich die Zigeuner gewöhnlich aufhalten. Sie hoffte, in der Hauptstadt, wo alles gekauft und alles verkauft wird, werde auch sie ihre Ware losschlagen können. An dem Tage, als Preziosa ihren ersten Einzug in Madrid hielt, war das Fest der heiligen Anna, der Patronin und Schutzherrin der Stadt. Acht Zigeunerinnen, vier ältere und vier junge, führten unter der Leitung eines Zigeuners, eines vorzüglichen Tänzers, einen Tanz auf, und wenn sie auch alle sauber und geputzt erschienen, so trat doch Preziosens Zierlichkeit so sehr hervor, daß sie allmählich die Blicke aller Zuschauer auf sich zog... Continue reading book >>
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