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Memoiren einer Sozialistin Kampfjahre By: Lily Braun (1865-1916) |
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Kampfjahre
Roman von Lily Braun Albert Langen, München 1911
Erstes Kapitel
Eine gewitterschwüle Juninacht. In der Kabine unten hatte ich es nicht
ausgehalten. Die eingeschlossene Luft legte sich zentnerschwer auf Kopf
und Brust, und das melancholisch eintönige Anschlagen der Wellen an die
Fenster preßte mir das Herz zusammen, als ob das Unglück selbst es in
seinen harten Händen hielte. »Ich bin seefest,« hatte ich der warnenden Stewardeß zugerufen, als ich
die schwankende Treppe hinaufgestiegen war. Zwei , dreimal atmete ich
auf, tief und schwer, wie nach überstandener Anstrengung, ehe ich mich
in den Korbstuhl fallen ließ. Am Himmel jagte, vom Wind gepeitscht, ein
schwarzes Wolkenheer. Dunkel und drohend rollten die Wellen dem Schiff
entgegen. Kein Mondstrahl spiegelte sich in ihnen, kein Stern
erleuchtete das finstere Firmament. Langsam verschwanden am Horizont die
Küste von Holland und mit ihr die letzten freundlichen Lichter. Ich war allein ganz allein. Ich sammelte meine Gedanken, die das
Fieber der letzten Tage durcheinandergewirbelt hatte wie der Sturm die
Schaumperlen auf dem Wasser. War das Gebäude meines neuen Lebens, das
ich mir droben auf den Bergen mit eigenen Händen stolz und selbstsicher
errichtet hatte, nichts als ein Kartenhaus gewesen, das ein Stoß mit der
Hand umzuwerfen vermochte? Ich griff suchend in die Tasche meines
Mantels, es war kein Traum, sondern grausame Wirklichkeit: meiner Mutter
Brief knisterte noch darin. Ich konnte ihn auswendig. Schon auf der
Fahrt von Grainau nach Berlin hatte ich ihn gewiß zehnmal gelesen. »Es ist mir, Gott sei Dank, möglich gewesen, Deinen Brief ohne Wissen
Deines Vaters in die Hand zu bekommen,« hieß es darin, »und ich schreibe
Dir in größter Hast, Gott anflehend, daß es meinen Worten gelingen
möchte, das Schrecklichste von uns allen abzuwenden. Was ich immer schon
fürchtete, als ich mit anhören mußte, wie Dein verstorbener Mann und Du
unseren Herrn und Heiland verleugnetet, und in Euren 'Ethischen
Blättern' las, wie Ihr immer wieder für die Umsturzpartei eintratet, das
ist jetzt geschehen. Der Samen, den Georg in Deine Seele streute, ist
aufgegangen: kühl und geschäftsmäßig, als handle es sich um den Plan
eines Spaziergangs, teilst Du uns mit, daß Du Deine Redaktionsstellungen
aufgegeben hast, um Dich ganz und gar der Sozialdemokratie in die Arme
zu werfen. Deine große Verirrung, Dein Unglaube haben Dich, wie es
scheint, für alles, was Pflicht, Gehorsam, Liebe und Rücksicht heißt,
blind und taub gemacht, sonst müßtest Du wissen, daß Du mit einem
solchen Schritt Deinem ganzen bisherigen Verhalten Deinen Eltern, Deiner
Familie gegenüber die Krone aufsetzest. Dieser Partei, die alles
besudelt und mit Füßen tritt, was uns heilig ist: Gott und Christentum,
Familie, Ehe, Monarchie und Militär, sollen wir unser Kind überlassen?
Es wäre in dem Augenblick für uns gestorben! Aber freilich, das ist Dir
einerlei, Du wirfst leichten Herzens alles über Bord, was Deinem
Eigensinn, Deinem Ehrgeiz, Deiner Eitelkeit hindernd in den Weg tritt.
Wenn Du aber damit Deinen armen Vater mordest von mir will ich gar
nicht reden, eine Mutter scheint dazu da zu sein, daß die Kinder sie mit
Füßen treten , wirst Du auch dann noch Deiner Selbstherrlichkeit froh
werden können?! Du weißt, daß es ihm in letzter Zeit gar nicht gut geht.
Vor ein paar Tagen fiel er vom Pferd; er sagt, er sei gestürzt, Bruder
Walter aber, der dabei war, ist überzeugt, daß es ein leichter
Schlaganfall gewesen ist. Die kleine Braune, deren Ruhe du kennst,
machte keinerlei Bewegung, er glitt eben einfach aus dem Sattel. Seitdem
leidet er an Schwindel und Kopfschmerz und ist schwerer zu behandeln
denn je. Jede Aufregung kann einen neuen Anfall hervorrufen, der ihn
tötet. Ich wollte nur, ich könnte dann mit ihm sterben, ehe ich so etwas
mit Dir erleben müßte ...!« Als ich diesen Brief erhalten hatte, waren meine Austrittserklärungen
aus den Redaktionen der »Ethischen Blätter« und der »Frauenfrage« schon
versandt worden... Continue reading book >>
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