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Reise in die Aequinoctial Gegenden des neuen Continents. Band 3.
by Alexander von Humboldt
In deutscher Bearbeitung von Hermann Hauff.
Nach der Anordnung und unter Mitwirkung des Verfassers.
Einzige von A. v. Humboldt anerkannte Ausgabe in deutscher Sprache.
1859
Dritter Band
INHALT
Achzehntes Kapitel.
Neunzehntes Kapitel.
Zwanzigstes Kapitel.
Einundzwanzigstes Kapitel.
Zweiundzwanzigstes Kapitel.
Dreiundzwanzigstes Kapitel.
Liste explizit genannter Werke
Anmerkungen des Korrekturlesers
ACHZEHNTES KAPITEL.
San Fernando de Apure. Verschlingungen und Gabeltheilungen der
Flüsse Apure und Arauca. Fahrt auf dem Rio Apure.
Bis in die zweite Hälfte des achtzehnten Jahrhunderts waren die großen
Flüsse Apure, Payara, Arauea und Meta in Europa kaum dem Namen nach
bekannt, ja weniger als in den vorhergehenden Jahrhunderten, als der
tapfere Felipe de Urre und die Eroberer von Tocuyo durch die Llanos zogen,
um jenseits des Apure die große Stadt des Dorado und das reiche Land
Omaguas, das Tombuctu des neuen Continents, aufzusuchen. So kühne Züge
waren nur in voller Kriegsrüstung auszuführen. Auch wurden die Waffen, die
nur die neuen Ansiedler schützen sollten, beständig wider die
unglücklichen Eingeborenen gekehrt. Als diesen Zeiten der Gewaltthätigkeit
und der allgemeinen Noth friedlichere Zeiten folgten, machten sich zwei
mächtige indianische Volksstämme, die Cabres und die Caraiben vom Orinoco,
zu Herren des Landes, welches die Conquistadoren jetzt nicht mehr
verheerten. Von nun an war es nur noch armen Mönchen gestattet, südlich
von den Steppen den Fuß zu setzen. Jenseits des Uritucu begann für die
spanischen Ansiedler eine neue Welt, und die Nachkommen der
unerschrockenen Krieger, die von Peru bis zu den Küsten von Neu Grenada
und an den Amazonenstrom alles Land erobert hatten, kannten nicht die
Wege, die von Coro an den Rio Meta führen. Das Küstenland von Venezuela
blieb isolirt, und mit den langsamen Eroberungen der Missionäre von der
Gesellschaft Jesu wollte es nur längs der Ufer des Orinoco glücken. Diese
Väter waren bereits bis über die Katarakten von Atures und Maypures
hinausgedrungen, als die andalusischen Kapuziner von der Küste und den
Thälern von Aragua aus kaum die Ebenen von Calabozo erreicht hatten. Aus
den verschiedenen Ordensregeln läßt sich ein solcher Contrast nicht wohl
erklären; vielmehr ist der Charakter des Landes ein Hauptmoment, ob die
Missionen raschere oder langsamere Fortschritte machen. Mitten im Lande,
in Gebirgen oder auf Steppen, überall, wo sie nicht am selben Flusse
fortgehen, dringen sie nur langsam vor. Man sollte es kaum glauben, daß
die Stadt San Fernando am Apure, die in gerader Linie nur fünfzig Meilen
von dem am frühesten bevölkerten Küstenstrich von Caracas liegt, erst im
Jahre 1789 gegründet worden ist. Man zeigte uns ein Pergament voll
hübscher Malereien, die Stiftungsurkunde der kleinen Stadt. Dieselbe war
auf Ansuchen der Mönche aus Madrid gekommen, als man noch nichts sah als
ein paar Rohrhütten um ein großes, mitten im Flecken aufgerichtetes Kreuz.
Da die Missionäre und die weltlichen obersten Behörden gleiches Interesse
haben, in Europa ihre Bemühungen für Förderung der Cultur und der
Bevölkerung in den Provinzen über dem Meer in übertriebenem Lichte
erscheinen zu lassen, so kommt es oft vor, daß Stadt und Dorfnamen lange
vor der wirklichen Gründung in der Liste der neuen Eroberungen
aufgeführt werden. Wir werden an den Ufern des Orinoco und des Cassiquiare
dergleichen Ortschaften nennen, die längst projektirt waren, aber nie
anderswo standen als auf den in Rom und Madrid gestochenen Missionskarten.
San Fernando, an einem großen schiffbaren Strome, nahe bei der Einmündung
eines andern, der die ganze Provinz Barinas durchzieht, ist für den Handel
ungemein günstig gelegen... Continue reading book >>